Die 1. Etappe: Der Blanke Hans in Bensersiel

von Michael Ibelings

<Volker A.> Endlich wieder Ossiloop! Und zwar so, wie wir ihn kennen und lieben. Mit einem Bus voller laufbegeisterter Menschen aus der Huntestadt rauf auf die Autobahn Richtung Norden. Keine Absage der Veranstaltung, keine Corona-Auflagen. Als die Laufsportfreunde das letzte Mal so in Ostfriesland einfielen, da hatten wir noch eine Bundeskanzlerin und Deutschland setze noch auf Strom aus Atomenergie.
Kaum setzte sich der Bus in Bewegung, da herrschte Stimmung wie auf einer Klassenfahrt. Die Laune war gut, aber etwas Aufregung merkte man allen an. Egal ob Rookie oder alter Hase. Die Nervosität gehört auch einfach dazu. Wo ist mein Laufchip? Muss ich noch etwas trinken? Hmm, wie ist wohl die Toiletten-Population vor Ort? Finde ich pünktlich bis zur Rückfahrt den richtigen Bus? Und überhaupt: Bin ich richtig angezogen?
Die Frage nach der Kleidung musste individuell gelöst werden. Der Wettergott konnte sich nicht zwischen Sonnenschein und Regen entscheiden. Also gab es Schauer zeitgleich mit lachender Sonne. Über Esens leuchtete daher ein bunter Regenbogen und krümmte sich Richtung Start. Ehrenwort, das Ende des Regenbogens lag genau im Startbereich in Bensersiel. Hat jemand Gold gefunden? Nein, Edelmetall gibt es nicht am Start 😄
Am Hafen von Bensersiel konnten sich alle glücklich schätzen, die mehr als nur ein dünnes Trägershirt übergeworfen hatten. Hier herrschte der Blanke Hans. Okay, die Wellen fehlten, aber der starke Wind pfiff eisig. Eine steife Brise, die sich jedoch als sehr hilfreich erwies. Drückte sie doch auf den ersten Metern von hinten und gab zusätzlich Schub wie eine Rakete.
Den Rückenwind nutzen natürlich auch die Gesamtklassement-Läuferinnen und Läufer. Wie so oft ist der Favorit und ehemalige LSF-Trainer Andreas Kuhlen das Maß der Dinge. Aber die Oldenburger, ob LSFler oder Reisegast im Bus, alle sind gut ins Etappenrennen gestartet. Auf der Rückfahrt waren alle sehr zufrieden mit sich und der persönlichen Leistung. Das Motto „Den Ossiloop kann man auf der ersten Etappe nicht gewinnen, nur verlieren“, auf der Hinfahrt mantraartig eingeimpft, wurde von allen beherzigt. Ob es beim ersten Männer-Team und beim ersten Frauen-Team am Ende wieder für das Treppchen reichen wird? So früh kann man es nicht sicher sagen. Es bleibt spannend bis zur letzten Etappe.
In diesem Jahr ist die Ossiloop-Schlange deutlich kürzer als in Vor-Corona-Zeiten. Trotzdem müssen Feuerwehr und Polizei an vielen Stellen in den weiten Ostfrieslands für Straßensperrungen sorgen. Natürlich bilden sich kleine Staus, die nicht von jedem Autofahrer wortlos hingenommen werden. Den wortkargen Ostfriesen bringt das nicht aus der Ruhe. Ein trockenes „Keine Bange, die Läufer sind schneller als jeder Klima-Kleber“ bringt aber alle Verkehrsteilnehmer wieder zur Räson.
Für die eigentlich verschlossenen, direkt hinterm Deich lebenden Friesen ist der Ossiloop eh ein besonderer Tag. Da trifft man sich mit den Nachbarn am Streckenrand auf ein kurzes Pläuschchen, und selbst der Posaunenchor spielt auf. Das ist hier Tradition auf dem Dorf. Aber die Ossilooper haben mehr Luft als jedes Blasorchester. Und die brauchen sie auch. Denn gute elf Kilometer bis zur Ziellinie sind ein langer Weg.
Natürlich gab es im kargen Dunum auch kein Gold, keine Medaille für die Strapazen. Ehrlich, da fragt auch keiner nach. Für das Gros der Teilnehmer steht beim Ossiloop die Devise „Erlebnis vor Ergebnis“. So ist eine leckere Tasse Ostfriesen Tee von den Landfrauen und eine vom THW gegrillte Bratwurst viel mehr Wert. Solche Momente bleiben in Erinnerung und sorgen dafür, dass die Tradition Ossiloop weiterlebt.

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